Alle regen sich über die Shitstorm- und Mobbing-Kultur in Social Media auf. Dabei ahmen die Menschen nur nach, was sie in der Politik und in den Medien täglich erleben. Ein Beispiel.
Weihnachten und Neujahr inspirieren uns, wichtige Fragen zu stellen, zu deren Beantwortung wir im Trubel des Jahreslaufs nicht kommen. Was war, was wird? Geht die Welt unter? Wie halt ich's mit der Religion? Spezialisierst auf solche zeitaufwändigen Fragestellungen ist natürlich Die ZEIT, und wahrscheinlich weil man vor Weihnachten noch einen Aufreger brauchte, fragte man halt jemanden, der in seiner Unbedarftheit verlässlich ebensolche produziert: Kristina Schröder. Die entblödet sich nicht und erklärt, dass man statt der Gott auch das Gott sagen könnte. So weit, so wenig.
Und mit diesem vermeintlichen Aufreger löst die alte Tante aus Hamburg einen Kurzschluss im politischen System aus, das entweder vor Weihnachten komplett unterbeschäftigt ist und Zeit zum Plappern hat oder angesichts der immerwährenden Euro-, Finanz- und Schuldenkrise nach Entlastung sucht.
Als Erstes spricht Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) und sagt, das mache sie sprachlos. Katharina Reiche (CDU), Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, bleibt von jeglicher Sprechscham verschont und gibt von sich: "Der liebe Gott bleibt der liebe Gott."
Nun melden sich auch Männer zu Wort und stellen sich vor Klein-Kristina, zum Beispiel der Sprecher von Schröders Ministerium, Christoph Steegman. Er verweist weise auf die höchste irdische Autorität bei diesem Thema: den Papst. Das kann der Leiter des Kommissariats der katholischen deutschen Bischöfe, Karl Jüsten, nicht so stehen lassen und nimmt Schröder ebenfalls in Schutz, weil das Ganze mit den "Kategorien des Gendermainstreamings" nicht zu fassen sei.
Bei der ZEIT hat man sich dieses wohl-inszenierte Domino des Sinnfreien wahrscheinlich mit Vergnügen angeschaut, konnte aber nicht umhin, auch noch einen Kommentar nachzuschießen, welche Belastung Schröder für die Union sei.
Hätte dieser Flashmob der Unbedarften seinen Ursprung auf Facebook gehabt, hätten sich genau die gleichen Leute über die Diskussionskultur dort beklagt. Wahrscheinlich wären Forderungen nach Mäßigung (Die ZEIT), dem Internet-Radierer (Ilse Aigner) oder einem grundsätzlichen Verbot von Facebook und allem anderen (Innenminister Friedrich) aufgekommen. So aber suhlt sich das politische System samt der beteiligten Medien im selbst aufgewirbelten Dreck und findet es auch noch schön.
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