Donnerstag, 12. Juli 2012

Eine Ehrenrettung

Ein guter PR-Berater verschickt keine guten Pressemitteilungen. Stattdessen nutzt die in der PM zum Text geronnene, verstandene und wertschöpfende Story und erzählt sie in allen relevanten Kanälen. Ihre FUNKTION als Qualitätssicherung ist besonders für junge Unternehmen viel zu wertvoll, um die Pressemitteilung als FORM zu verdammen.

Der guten alten Pressemitteilung, dem Brot&Butter-Produkt der PR-Branche, soll es an den Kragen gehen. Sie steht für alles, was in der Kommunikation als überkommen gilt und nicht mehr schicklich ist. Sie ist Gate-Keeper-zentriert, formalistisch, sie ist nicht kompatibel mit den neuen Kanälen der Meinungsbildung, sie ist so 1.0.

Ist sie auch. Und gerade deshalb ist die Pressemitteilung als Funktion, nicht als Form, ein Instrument der Qualitätssicherung für Kommunikation und gerade für Start-ups ein Weg, die saubere Umsetzung der Strategie in eine greifbare und packende Story zu gewährleisten.

Die gute PM ist eine hohe Kunst, die leider viel zu selten zelebriert wird. In ihr gerinnen die gesammelten Erfahrungen und die kommunikative Kompetenz eines PR-Beraters. Die PM ist das Vehikel, mit dem Strategie, Taktik und Kreativität auf die Straße gebracht werden – oder eben in der Box bleiben müssen.

Die PM kennt nur ein Ziel: So „Shareable“ wie möglich zu sein für den Journalisten. Alles Denken und Formulieren folgt diesem Ziel. Wie viele Fakten muss ich dem Journalisten geben, wie viel Botschaft kann ich unterbringen? Wie mache ich meine PM relevant und wertvoll für den Journalisten? Wie generiere ich ein Shared Value, in dem ich dem Journalist die News und mir die Botschaft verschaffe? Nicht umsonst sind es oft PR-Berater mit wenig Erfahrung und Erfolg in der Medienarbeit, die für die Abschaffung der PI plädieren.

Die Qualitätsmaßstäbe für die Erstellung einer PM sind über Jahrzehnte erprobt. Sie orientieren sich an den Rollen des Journalisten als Gatekeeper und an den redaktionellen Prozessen der Print Medien. Das betrifft aber nur die Alpha-Ebene, den News-Kern der Story und weite Teile des formalen Aufbaus. Auf der Beta-Ebene war es schon immer die Kunst eines strategischen Texters, die Kernbotschaften und ein kleines bisschen Werbung für das Unternehmen mit reinzubringen. Eine Gratwanderung, die oft misslang.

Für den Newskern muss der PR-Berater recherchieren, Fragen stellen, den Kunden nerven, verstehen, bewerten und selektieren. Das ist Arbeit! Gelingt sie nicht, ist das Ergebnis viel mehr als eine schlechte PM. Es fehlt die faktische Basis für die Story: Personen, Motive, Handlung. Kommunikation ohne diesen Newskern wird immer nur dampfiges Geschwurbel oder blanker Fake sein. Damit kann man bei Journalisten durchkommen, wenn man es gut verpackt. Dann fehlt aber die Wirkung der Arbeit ist nach innen: Die Arbeit am Newskern sorgt als Prozess des kommunikativen, iterativen Prototyping dafür, dass die Beteiligten in der Organisation eine gemeinsame Vorstellung entwickeln, akzeptieren und beschließen.

Wie ist mein Produkt wirklich? Welche Vorteile kann ich nachhalten, welche muss ich behaupten? Wie soll das Unternehmen nach außen sprechen? Wer spricht im Unternehmen? Wer als PR-Berater noch nie erlebt hat, wie zwei oder noch besser drei Geschäftsführer sich um die Rolle als Zitatgeber in einer PM streiten, kann gar nicht beurteilen, welch klärende Rolle die formale Verschriftlichung spielen kann.

Was in einem etablierten Unternehmen hygienische Wirkung hat, ist für Start-ups ein elementarer Teil der Unternehmensentwicklung. Die PM ist dort mehr als ein Erzeugnis zur Generierung von Öffentlichkeit. Jede PI ist hier ein kleines Manifest der bisher noch nicht definierten Strukturen, Prozesse und Produkteigenschaften. Nach außen gerichtete Kommunikation führt und leitet die innere Kommunikation.

Das alles kann ich natürlich auch mit einem Blog-Posting haben, mit einer Social Media Release, einem Pinterest-Board und einen Video auf YouTube. Wichtig ist nur, bei der Erstellung die gleichen Leitlinien anzuwenden:

1. Der Inhalt muss aus der Perspektive der Nutzer gedacht sein, um shareable zu sein. 
Die Erwartungen und Relevanzfaktoren der Nutzer bestimmen Form und Inhalt. Das erfordert noch mehr Empathie als nur die professionalisierten journalistischen Standards und Nachrichtenfaktoren zu berücksichtigen. Wobei der erfahren Medienarbeiter auch gelernt hat, dass es die Journalisten nicht gibt. Es gibt nur den Journalisten in seiner redaktionellen und persönlichen Situation, und dem muss man die Story vermitteln.


2. Der Newskern muss stimmen. 
Was bisher durch das Sieb der Nachrichtenfaktoren fiel, ist unter Umständen auch für viele andere nicht relevant. Die Aufgabe: Machen Sie es relevant! Was fehlt an Information? Was ist unklar? Was ist langweilig? Was muss erklärt werden? Was muss im Unternehmen geklärt und akzeptiert sein, bis Sie authentisch und wahrhaftig nach außen sprechen können?


3. Die Fakten sind nur der Anfang. 
Sie haben den Newskern – aber warum wollen sie die Geschichte überhaupt erzählen? Welches Ziel wollen Sie damit erreichen? Wie passt der Newskern in ihre Kommunikationsstrategie? Welche Botschaften transportiert er. Wer sagt, dass er einen neuen Forschungsleiter einstellt, kann damit erzählen dass der alte nichts taugte. Oder dass er noch mehr in Innovationen investiert. Oder dass er wächst und gedeiht. Oder dass er den Anschluss verloren hat und jetzt kämpfen muss. 

4. Kommunikation definiert Beziehungen.Welche Beziehung mit den Stakeholdern definiert die Kommunikation? Sind die Helfer, Vorgesetzter, Lehrer, Polizist oder Entertainer. Verführer? Bösewicht? Experte? Als Kommunikator müssen Sie die Stimme des Unternehmens finden, die sie glaubhaft und erfolgreich vertreten können.