Dienstag, 6. Juli 2010

Das bisschen Haushalt

Dass Angela Merkel nach Hausfrauenart regiert, kann ihr ernsthaft niemand vorwerfen. Außer die Initiative Soziale Marktwirtschaft. Die INSM sieht sich selber gerne als Think Tank der Arbeitgeberverbände.

Gut, denn Unternehmer müssen komplex denken und einfach kommunizieren. In der aktuellen Anzeige in der SZ zeigen sie, dass es auch andersrum geht.

Freitag, 25. Juni 2010

Social Media Newsrooms: Nur ein Brett?

Wäre ich ein Werber, würde ich den Besitzern von Social Media Newsrooms Angst machen. Angst vor dem "Schwarzen Brett Effekt". Denn viele Beispiele gleichen den mit bunten Blättern vollgepinnten Wänden in Universitäten oder großen Supermärkten: Viel Ramsch, viel Veraltetes, keine Übersicht, kein Thema.

Es ist insgesamt ein wenig still geworden um den Social Media Newsroom. Noch vor einem halben Jahr bekamen Unternehmen Aufmerksamkeit aus der Social Media Community, weil sie ein Stück Software installiert hatten, das ein geschickter Verkäufer Social Media Newsroom nannte. Das ist vorbei. Inzwischen ist klar, dass der SMNR auf der Corporate Website nicht das Ergebnis einer Installationsroutine ist.

Das automatische Aggregieren von Content aus allen möglichen Kanälen Travel Charme ist nett. Es ersetzt aber kein Themenmanagement - und Themenmanagement ist eine der zentralen Aufgaben der Unternehmenskommunikation.

Es ist einerseits eine Gestaltungsfrage. Westaflex zum Beispiel setzt ein Video als Eyecatcher oben auf die Seite. EIN Video - und nicht eine beliebige Liste. Damit ist ein Fokus für den Nutzer gelegt.

Andererseits ist es eine Frage des strategischen Themenmanagements: Der SMNR wird als redaktionell zu gestaltende Themenseite betrachtet. Dazu werden Beiträge gesammelt aus den Kanälen - und bewertet. Wichtiges wird groß und kommt nach oben. Themenmanager schaffen Ordnung auf dem Schwarzen Brett, schaffen Cluster, nehmen die drei verstreuten Post-its ab und hängen dafür ein wertiges Poster in die Mitte.

Das macht Arbeit, aber das macht wertige Kommunikation immer. Das erfordert den Mut zu Bewertung und Weglassen, aber das fordert wertige Kommunikation immer. Es hilft dem Nutzer, das wichtige Thema eines Unternehmens schnell zu erkennen - und das sollte wertige Kommunikation immer tun.

Donnerstag, 10. Juni 2010

Meins!

Liebe Werbetreibende.

Meins bleibt meins, auch wenn ihr singt und lacht. Ich wehre mich gegen eure Tendenz zum falschen "Wir".

Sie wird am deutlichsten an der unsäglichen Kampagne des japanischen Gaspedalherstellers Toyota. Mein Toyota (hätte ich denn einen) ist nicht euer Toyota, es sei denn, ich hätte ihn noch nicht abbezahlt. Dass die Japaner nun vom Eigentum ihrer Kunden Besitz ergreifen wollen, ist wohl ein Hinweis auf die nächste Rückrufaktion.

Ein anderes schlechtes Beispiel ist eine mir unbekannte Bio-Müsli Marke, die mir heute morgen im Radio entgegenschreit: WIR SIND CRUNCHY. Ihr vielleicht. Ich bin eher crispy oder tasty, manchmal edgy und ganz selten bin ich LENA. Aber ich würde mich nie mit Leuten gemein machen, die Haferflocken in Papiertüten füllen und deswegen im Radio rumschreien.

Liebe Werbetreibende, ich und ihr, wir sind kein "Wir". Eure Marken reichen nicht über meine virtuelle Türschwelle. Wir sind keine Community, wir sind noch nicht mal Freunde auf Facebook. Also Finger weg von allem, was euren Kunden bereits gehört.

Donnerstag, 27. Mai 2010

Ein Ausflug ins Pannonische Bassin

Im Originaltext: Eine wunderbare Mail aus Ungarn.

Haben Sie ein Team was Sie aufbauen möchten?

Haben Sie ein Ziel was Sie erreichen möchten?

Es gibt eine Vibration was Sie erreichen können.

Es gibt ein perfektes Endziel: der Pannonische Bassin. Bringen Sie ihre Kollegen in ein wunderschönes Land, wo Sie die Atmosphäre von dem Karpat Bergen geniessen können, wo- wie man sagt- das Hertz von dem Planeten schlägt. Fühlen Sie die Energie, das dieser Bassin bietet, fühlen Sie die Vibration, die ihren Geist flühgeln lässt, so können Sie sich auf eine Herausforderung bereitmachen.

Wenn Sie hier einmal in gute Laune kommen, können Sie ihre Träume, Ziele teilen, so können Sie sich selbst finden.

Was wir bieten ist, was Sie brauchen. Was wir präsentieren ist nicht nur die Teilung von Erlebnissen mit Ihren Kollegen. Bei uns finden Sie die Dinge womit Sie ihr Team aufbauen können.

Was ist das? Die richtige Tätigkeit, am richtigen Platz, mit ein wenig Extra: mit der ungarischen Stimmung.

Wir richten alles aus was Sie nur möchten. Wir bringen Sie dahin, wohin Sie möchten. Für Innen und Aussen. Bergsteigen in der Matra. Schifffahren am Balaton. Radfahren auf den Budaer Bergen. Paintball spielen auf dem grossen ungarischen Tiefland.

Ist das was Sie möchten? Oder möchten Sie mehr? Wir können Sie zu solchen Plätzen bringen worüber Sie nie geträumt hätten. Vampir Wochenende in Transylvanien. Kostenloses Reiten auf dem Feld. Absteigen vom Bergen. Jagt auf Wildes im Wald.

Oder möchten Sie was ganz anderes? Teilen Sie es uns mit und wir arrangieren es für Sie. Möchten Sie die Famillie mitbringen?

Kein Problem. Es gibt nie wieder eine langweilende Frau und schlechte Kinder. Sie können in ein perfektes wellnes Urlaub teilnehmen, in einem von Ungarns exklusivsten Spa Hotels. Sie können die ausergewöhnliche ungarische Spezialitäten und die Thermalbäder geniessen oder Sie können sich einfach nur ausruhen, was Sie mit gesunder Energie aufladet.

Ihr Ziel. Ihr Team. Unsere Lösung.

Donnerstag, 29. April 2010

Sagt der Adobe zum Steve

Sagt der Steve zum Adobe:
Flash in Apps, das gibt es nie.
Sagt der Adobe zum Steve:
Ohne Flash geht's youtube schief.

Drauf der Steve im Überschwang:
Shockwave gibt's auch nicht mehr lang
Droht Adobe unverholen:
dann geh ich halt zum Amazon

(Grundkenntnisse in bairischer Grammatik helfen bei der Interpretation).

Montag, 19. April 2010

More of that Jazz für die Corporate Website

Durch Zufall bin ich beim Surfen auf die Kampagnenwebsite des Honda Jazz gestoßen. Sie ist exemplarisch für das, was momentan für viele Consumer Produkte state of the art ist - und was sich in Zukunft auch im Themenmanagement auf der Corporate Website wieder finden wird.

Schon lange wundere ich mich, wie wenig Fantasie die PKW-Hersteller entwickeln, wenn sie ihre Produkte ins Netz stellen. Die letzten zehn Jahre hatten die Marketingabteilungen Fahrzeugkonfiguratoren für ein unglaublich tolles Tool gehalten.

Vieles hat sich getan in den letzten zwei Jahren; und natürlich waren es in Deutschland Hersteller wie Daimler und BMW, die neue Tools, spannende Inhalte und Social Media-Elemente erfolgreich für den Markenaufbau und Kampagnen im Netz zu nutzen wussten.

Nun ziehen die Kleinen nach. Die Kampagnenwebsite für den Jazz ist vollständig animiert, sie bietet Bildergalerien, Videos und Animationen. Die HTML-Alternative gibt es nur noch auf der klassischen Honda-Website.

Was können wir von Kampagnensites für die Zukunft der Corporate Websites ableiten?

1. Nutzerkontext statt Autorenkontext
Der ganze Auftritt ist das, was wir als "Applikation" bezeichnen: Die Kombination aus aufbereiteten Inhalten und Interaktion des Nutzers. Er würde genauso gut als App für das iPhone funktionieren. Er steht für sich allein, weil er statt auf die kontextuelle Einbettung durch den Autor (in die Website) auf die kontextuelle Einbettung durch den Nutzer (in seine konkrete Nutzungssituation) setzt.

Für die Corporate Website lässt sich ableiten, dass es die große Aufgabe der Online-Kommunikatoren der Zukunft sein wird, ein stimmiges Framework für all die kommenden, verteilten und dynamischen Applikationen anzubieten. Diese Aggregationsplattform werden wir in fünf Jahren Corporate Website nennen. Der viel diskutierte Social Media Newsroom ist nur ein Vorläufer.

2. Dramaturgie statt Statik
Der Auftritt des Honda Jazz verzichtet auf Strukturdenken und setzt statt dessen auf ein Storyboard. Der Nutzer erfährt die Informationen Klick per Klick. Um ihn nicht zu verlieren, muss jede neue Szene spannend, interessant und vor allen Dingen nützlich sein.

Für die Corporate Website lässt sich ableiten, dass Online-Redakteure auch für Corporate eher Regisseure für Web-Inhalte als Texter sein müssen. Zur Recherche und Strukturierung der Inhalte kommt die Entwicklung des Plots dazu, die Dramatugisierung. Gute Storyboards sind viel Arbeit. Immer wenn ich bei Projekten mit dem von mir sehr geschätzten Mediendesigner Michael Tewiele zusammen arbeite, merke ich, wie wichtig diese Fähigkeit ist.

3. Ausschnitt statt Gesamtschau
Der Jazz-Auftritt bietet nicht alles. Konfigurator, Broschüren, Probefahrt - das alles gibt es nur über den Corporate Frame. Keine verwandten Themen, keine Links zu anderen Modellen. Keine Social Media Funktionen. Einzuordnen ist der Auftritt deshalb nicht als Microsite, sondern als interaktive Produktbroschüre. Sie ist "Take Away" für den Nutzer.

Für die Corporate Website lässt sich ableiten, dass wir entscheiden müssen, welche Aufgaben eine Applikation übernehmen soll und welche nicht. Die Applikationen sind inhaltlich, funktional abgeschlossen, ein Paket. Deshalb wird es notwendig werden, eine strategische Roadmap für die Applikationen auf der Website zu entwickeln. Sie gewährleistet, dass in der Gesamtschau der Anwendungsmodule im Framework die Botschaften, Marken und der Dialog sichtbar werden.

Eine Kampagnenwebsite kann sich stärker beschränken und gleichzeitig weiter gehen als die Corporate Website heute. Und Honda lässt mit der Jazz-Website viele Chancen ungenutzt. Nichts desto trotz hat sich im kampagnen-getriebenen Consumer-Umfeld vieles entwickelt, was wir bald auf den Corporate Websites sehen werden. More of that Jazz eben.

Montag, 8. März 2010

Die Corporate Website auf die Straße bringen

Bis 2013 geben die Viel-Progonostizierer von Gartner dem klassischen Desktop noch. Dann werden mobile Endgeräte in der Überzahl sein. Das ist nicht mehr viel Zeit, denn "going mobile" in der Onlinekommunikation auf der Corporate Website bedeutet mehr als Code-Tüftelei. Es ist ein strategischer Schritt. Wer sich jetzt überlegt, wie seine Corporate Website in Zukunft aussehen soll, macht sich Gedanken über die neuen mobilen Nutzer.

Stellen wir unsere typischen Nutzer in einen neuen Kontext: Raus aus dem Büro, der Redaktion, dem Arbeitszimmer. Bringen wir die Website auf die Party, zum Business-Lunch, auf die Straße. Aus Nutzern werden Reisende. Was muss mobile Kommunikation auf der Corporate Website leisten?

Die Rolle: Seien Sie Tankwart und Taxifahrer für den Nutzer.

Für Reisende gibt es Personen mit anscheinend angeborener Kompetenz: Tankwart und Taxifahrer sind wortwörtlich "gefragte" Menschen. Der mobile Nutzer auf der Website braucht genauso Orientierung und schnellen Service. Gute Mobilkommunikation lädt zur Interaktion ein. Sie antizipiert die Fragen der Reisenden und gibt kompetente, sympathische und authentische Antworten.

Die Einstellung: Seien Sie heiß oder kalt.

Was auf der Corporate Website landet, ist entweder aktuell oder nützlich. Das Aktuelle wird schnell erzählt. Das Nützliche muss wertig gemacht werden. Für alles andere ist kein Platz. Das ruft einerseits nach News-Inhalten mit Zeitpfeil und andererseits nach Highlights, die Unternehmen setzen. Statt statischem Text lassen wir die Employer Brand im Video erzählen. Statt Textwüsten und Powerpoint setzen wir plattform-unabhängige Tools für interaktive Animationen.

Der Gestus: Werden Sie schlank.

Ihr Nutzer hat weniger Überblick, er hat keine Maus und kein Interesse, sich in die 4. Navigationsebene durchzuhangeln. Deshalb konzentrieren sich Informationsarchitekturen für Mobilkommunikation auf wenige, wertige Inhalte. Artikelfriedhöfe und angestaubte Unternehmensbroschüren sind unnötiger Ballast 'on the road'.

Die Taktik: Werden Sie schnell.

Mobile Internetzugänge sind immer noch teurer und langsamer. Die Geschwindigkeit ist eine Aufgabe für die Technik, aber auch für Kommunikatoren. Basisinformationen sind kurz und knapp zu halten. Wertige Inhalte müssen so gut gemacht sein, dass sich der Aufwand für den Nutzer lohnt.

Dieser Beitrag ist der zweite in der Reihe über die Corporate Website. Vielen Dank für's Kommentieren und Weiterspinnen.

Sonntag, 7. März 2010

Süddeutsche is coming home

"Durch's Reden kumma d'Leit zam", sagen wir in der Oberpfalz. Oder Menschen und Produkte. Es hat sich was getan in meiner Beziehung zur Süddeutschen. Nach der vorsichtigen Annäherung und der großen Krise läuft die Sache richtig gut.

Nachdem ich letzte Woche erneut vor einem leeren Postkasten stand, wollte ich eigentlich endgültig Schluss machen und griff zum Hörer, wählte die Nummer der Abo-Hotline. Und da geschah Wundersames:

Ich trug meine Gravamina vor, bis mich die Dame am anderen Ende der Leitung fragte: "War die Postzustellung eigentlich Ihr Wunsch?" Es sei sehr ungewöhnlich, dass es in Ismaning keinen Träger gäbe. Sie würde das gleich klären und mich zurückrufen.

Der Rückruf kam prompt. Es stellte sich heraus, dass ein Tippfehler meine Straße aus dem System gekickt hatte. Schwuppdiwupp hatte ich morgens meine Süddeutsche per Austräger geliefert.

Für die SZ hat es sich gelohnt, dass sie in ihrem Call-Center sehr freundliche und bemühte Mitarbeiter hat - und ein paar Ortskundige, die wissen, dass Ismaning noch süddeutsch genug für die Süddeutsche ist.

Für mich hat es sich auch gelohnt. Ich sitze bei einer guten Tasse Kaffee; ich blättere mich zärtlich durch die Seiten der Wochenendausgabe und freue mich: Mehr zu haben als Nachrichten. Mehr als Information, mehr als Content und Klickstrecke. Mehr als ein Produkt. Eine Zeitung eben. Mein Aktionsabo läuft bis Ende des Monats, dann fällt die Entscheidung. Also: Weiter ranhalten, liebe SZ-Redakteure. Jetzt gilt's.

Dienstag, 23. Februar 2010

Süddeutsche, so wird das nichts

Update 24.02.2010

Der Anruf beim Aboservice (so gut wie keine Warteteit) bringt mich nur ein wenig weiter. Man bietet mir an, das Magazin nach zuschicken. Das ist eine nette Geste. Einen Träger für (meinen Teil von?) Ismaning wird es aber voraussichtlich nicht geben. Falls doch, wird man mich anrufen). Der Mensch am anderen Ende ist freundlich, professionell.

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Meine neue Beziehung zu dir kriselt, liebe Süddeutsche Zeitung. Wir sind noch keine Woche zusammen und schon bist du abends nicht da. Von Anfang an warst du nicht ehrlich zu mir. Du hast gesagt, du würdest mit mir frühstücken. Aber statt mit dem Träger kommst du mit der Post und ich kann dich erst Abends zärtlich aufschlagen. Da habe ich aber schon die viele andere Medien gehabt und die sind ja auch alle ganz proper.

Dann solltest du am Freitag das Magazin dabei haben, meine Postversendete. Nix wars! Und jetzt ist Dienstag und du bist heute gar nicht gekommen. Untreue Tomate. Abends allein vor dem dämlichen Fernseher sitzen, das kann ich ohne Abo. Morgens ohne Nachrichten frühstücken: dazu brauch ich dich nicht.

Morgen rede ich mit den Kunden-Beziehungsmanagern deines Verlags. Wenn das nichts bringt, müssen wir eben getrennte Wege gehen. Wir sind dann keine Freunde mehr, aber vielleicht sehen wir uns ja mal auf Facebook, ok?

Sonntag, 21. Februar 2010

Zeit.de: Appetit auf das Print-Erlebnis

Viel wird über das Besondere an der gedruckten Zeitung geredet. Meistens fällt der Begriff Haptik, den wir dann heimlich nach dem Gespräch in Wikipedia eingeben. Zeitung kann man anfassen. Fassbar, begreifbar machen mag vielleicht auch das Ziel einer Veranstaltung von Zeit Online gewesen sein, die vergangenen Donnerstag im netten "Neuen Arena" in München stattfand.

Eigentlich ging es um Anzeigen; Fingerfood und der charmante Episodenfilm "New York I love you" waren ein netter Rahmen, um die "Produkte" vorzustellen. So weit, so wenig überraschend.

Überrascht hat mich der Auftritt von Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit Online. In nur zehn Minuten machte er mir sein "Produkt" schmackhaft. Blau beschrieb das redaktionelle Konzept und die Mannschaft. Er beschrieb, wie sich die Zeit von Spiegel Online absetzen will und wo die Grenzen des Boulevardismus liegen. Und er beschrieb, wie wichtig es ist, die Lesbarkeit und die Anmutung des Blattes beim Online-Design zu übertragen.

Ich habe es ausprobiert, nachdem ich zeit.de die letzten Jahre beharrlich ignoriert hatte. Zeit Online bringt tatsächlich die Haptik ins Digitale, die alte Lust am Zeitung lesen. Ja, Herr Blau, keine Anzeige verkauft, aber einen Leser gefunden.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Online muss einen Zeitpfeil bekommen

Es ist Aschermittwoch und passend dazu hat die Social Media Szene aus ihrer Mitte heraus diese Woche ein katharsisches Fegefeuer erlebt. Mirko Lange hat in einem stark diskutierten Blogbeitrag das Dogma des Dialogzwangs aufgegeben. Don Alphonso gab in der FAZ den ganzen Berufsstand der Social Media Berater zum Abschuss frei.

Vielleicht ist es an der Zeit, ein Element der Online-Kommunikation in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen, das wir in den vergangenen 2 Jahren als zu "einsnullig" abgetan haben: die Corporate Website.

Die zentrale Mission lautet: Die Corporate Website ist lebendiger Ankerpunkt für die Interaktion mit den verschiedenen Nutzergruppen im Netz.

Aus den kleinen Visitienkarten waren gerade Anlaufstellen für Kunden, Journalisten, Investoren und Nachwuchskräfte geworden, als zwei Bewegungen vieles in Frage stellten.

Zum einen wurden die Websites einfach zu groß. Nach IR, Pressebereich und Karriere kamen die großen CSR-Bereiche dazu, Sustainability wanderte in die oberste Navigationsebene. Mehr war besser und was IR in der 4. Navigationsebene beschreibt, kann HR nicht auslassen, oder? Aus einem Rechtfertigungszwang für die eigene Existenz wuchsen riesige, undurchschaubare Inhaltstiefen und -breiten. Es fehlte an redaktioneller Führungskraft, Themen umfassend aufzubereiten.

Die zweite Bewegung: In einigen Kommunikationsabteilungen verschob sich der Fokus auf Social Media. In Krisenzeiten wurde im Zweifelsfall eher Web 2.0 als Marketingkanal genutzt als viel Geld in eine Überarbeitung der gewachsenen Strukturen der Website zu verlieren. Viele Corporate Websites sind große Tanker, die richtungslos in einem Meer treiben. Zeit, sie ins Dock zu bringen und gründlich zu überholen.

Aus den Gesprächen mit Jürgen Mayer und Jan Manz heraus entwickelt sich bei mir der Gedanke, dass wir Corporate Websites nur noch mit Zeitpfeil denken dürfen. Corporate Websites müssen schlanker werden, in den Strukturen vereinfacht, in den Funktionen dynamisiert; und sie brauchen in ihrer Mechanik verankert einen kleinen, schnellen Themenmotor.

Zwei Gründe sprechen für die Rosskur:

  1. Die Gewohnheiten der Nutzer haben sich geändert. Was Social Media bewirkt hat, ist die Dynamisierung, die Beschleunigung der Interaktion. Internet ist wie Fernsehen geworden. Wir erwarten nicht mehr nur Informationsdepots. Wir wollen Programm.
  2. In den Unternehmen gibt es mit den Employer Branding Spezialisten und den CSR-Leuten neue Experten. Wir erleben, dass die akronymen Truppen von UK, IR, HR und CSR unterschiedliche Sprachen sprechen. Oft reden sie gar nicht miteinander und machen auf der Website ihr eigenes Ding.

Was ist zu tun?

  • An die Stelle ausufernder Strukturen muss strategisches Themenmanagement treten. Inhalte müssen so aufbereitet sein, dass sie mehrere Nutzergruppen ansprechen. Das ist nicht nur effizient, das macht die meisten Inhalte auch besser weil reichhaltiger in der Aussage.
  • Der Proof für das Markenversprechen liegt in dem, was im Unternehmen passiert. Deshalb sind es die aktuellen Inhalte, die die Website antreiben und wertig machen. In deren Herzen liegt die Mechanik eines Blogs, der seinen Zeitpfeil mitbringt.
  • Authentisch ist, was aus dem Unternehmen herauskommt. Deshalb müssen möglichst viele Bereiche im Unternehmen die Chance haben, direkt aktuelle Inhalte zuzuliefern. Wir brauchen dazu mehr redaktionelles Management und weniger komplizierte CMS. So wie Uwe Knaus den Daimler Blog eher fördert statt kontrolliert, müssen die Verantwortlichen im Unternehmen Autoren anleiten und führen.
  • Websites müssen noch mehr zu Anwendungen werden. Auch das haben die Nutzer mit Google Docs und auf Facebook gelernt. Die neuen Corporate Websites sind Werkzeuge, sie treten in Interaktion und sie sind Schnittstellen für die Community rund um das Unternehmen. Hier findet Social Media statt.

Mein Plan ist, in den nächsten Beiträgen noch mehr über die Corporate Website zu lernen. Ich freue mich über euer Feedback und nehme neue Gedankengänge gerne mit auf.

Montag, 15. Februar 2010

Marken brauchen Freunde, nicht nur Fans

Ich bin kein Fan und werd's nicht mehr. Früher war ich es. Der Fan erwartet jede CD seiner Lieblingsband mit Spannung. Er schneidet die Zeitungsartikel über seinen Verein aus und kauft überteuerte Bücher. Er reist quer durch die Republik für ein Konzert. Kurz: Er ist ein Fan und der andere ist der Star.

Heute soll ich auch wieder ein Fan sein, auf Facebook. Aber Coca Cola hat schon über 5 Millionen Fans, Angela Merkel 25.000, der TSV Ismaning immer noch 32. Was soll ich da noch? Was hilft es mir?

Der Fan-Status widerspricht dem Cluetrain-Manifest und einem wichtigem Dogma der Social-Media Szene: Auf Augenhöhe miteinander sprechen. Der Star blickt immer auf den Fan herab. Er bestimmt, was über ihn geschrieben wird. Fans kritisieren den Star nicht.

Um als Marke zu wissen, welche Markenerfahrung die Nutzer draußen machen, brauchen sie keine Fans, sondern Freunde. Weil Freunde ehrlich sagen, wenn Marken schief liegen. Weil Freunde ein Interesse daran haben, Marken und Produkte zu verbessern.

Marken wie Coca Cola können mit Fans zufrieden sein. Wer aber erfahren will, welche Markenerfahrung die Menschen machen, der muss die richtigen Fragen stellen und dann zuhören. Dazu sind Gruppen und Foren vielleicht viel besser geeignet. Ich kann mir vorstellen, dass viele Anbieter von Dienstleistungen oder (Online)-Händler auf diesem Weg besser fahren, egal ob sie das nun auf Facebook machen, auf Xing, oder ob sie eine eigene Community aufziehen. Wer mit Nutzern so in die Diskussion einsteigt, wer ihnen Support gibt und nicht nur Downloads, der gewinnt Freunde.

Ich werde kein Fan von Coca Cola. Ich werde auch kein Fan von Angela Merkel. Aber vielleicht könnten wir ja Freunde werden.

Samstag, 13. Februar 2010

Süddeutsche, das ist deine letzte Chance

Update 18.02.09:

Die SZ kommt per Post, nicht wie versprochen per Träger. Mit der Frühstückslektüre wird es also nichts. Am Beginn einer neuen Beziehung kann man sich solche Fehler nicht leisten, liebe Süddeutsche.

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Liebe Redaktion der Süddeutschen Zeitung,
ich gebe euch eine letzte Chance. Nach 15 Jahren Abo habe ich euch anlässlich der Preiserhöhung letztes Jahr den Geldhahn zugedreht. Sorry nochmal, aber ich hatte einfach keine Zeit mehr, weil ich mich soviel um Social Media kümmern musste.

Aber jetzt wohne ich nicht mehr so weit vom Büro weg und kann mir euch wieder leisten. Deshalb habe ich euer Angebot gerne angenommen, der SZ sechs Wochen lang für 31 Euro eine Chance zu geben. Ich bin gespannt.

Bitte liebe Redaktion, gebt euer Bestes in dieser Zeit.

  • Ich hätte gerne Streiflichter, die süßlich bitter schmecken und gut gepfefferte Leitartikel von Heribert Prantl.
  • Ich hätte gerne ein Feuilleton, einen Wirtschafts- und Medienteil, die sich in meinem Arbeitsumfeld auskennen und nicht alles elektronische verteufeln.
  • Ich will eure Analyse über die Qualität der Arbeit im Stadtrat wie im Europaparlament.


Vor allem aber will ich von Euch den Beweis, dass die Zeitung als Medium immer noch funktioniert. Dass es möglich ist, mir jeden Morgen die Welt gut recherchiert, fein analysiert in Hirn gerechten Portionen auf den Frühstückstisch zu liefern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Blogger und Twitter keinen Journalismus eurer Klasse ersetzen - aber ich muss es wissen. Ich bin mir fast sicher, dass ich auf Digg und Yigg weniger gut über die Geldverschwendung bei der Bayerischen Landesbank erfahre - aber ich muss es wissen.

In meiner Zeit als SZ-Abonnent habe ich viel Wissen aus der Lektüre gezogen, vielleicht sogar so etwas wie Bildung. In meiner zeitungsfreien Zeit habe ich gemerkt, dass zu wenig relevantes Wissen hinzukam - zu wenig Ideen, Inspirationen.

Insofern könnt Ihr diesen Beitrag gerne als Liebesbrief sehen, liebe Redaktion. Aber als mahnenden. Ihr habt sechs Wochen Zeit (ab Mittwoch!), euer Bestes zu geben. Hängt euch rein, denn wir haben eine Beziehung auf Probe.

Freitag, 12. Februar 2010

Krieg! wbpr arbeitet am iPad-Killer

Wie ein unscharfes Photo aus der Entwicklungsabteilung der PR-Agentur wbpr in München zeigt, sind die Arbeiten am "Block" genannten iPad-Killer bereits weit fortgeschritten. Ebenso wie das iPad kann der Block kein Flash, dafür soll der Nutzer aber zwischen mehreren geöffneten Anwendungen "blättern" können, wie die sympathischen Münchener es nennen.

Ähnlich wie Apple will wbpr sinnvolle Produktfeatures erst in der dritten Generation implementieren. "Wir denken dabei an eine Spiralbindung und vorgezeichnete Linien", hieß es unter der Hand.

Donnerstag, 7. Januar 2010

Ich war offline - und das war gut so.

Auf Social Media kann ich verzichten. Nach fast drei Wochen in meiner internet-freien Heimat ist mir das klar geworden. Ohne Internet gibt es kein Status-Update, keinen interessanten Link, keine neuen Projekte und keine Diskussion. Kein Sascha Lobo, nirgends.

Dafür Weihnachtsessen und Christbaum. Lange Spaziergänge. Einen Sternenhimmel, wie ihn die Stadtkinder nicht kennen.

Fest in meinem Weihnachtsprogramm: Die Autofahrt durch die Wirkstätten meiner Jugend. Auf dem Weg über die Landstraßen buchstabiere ich die Namen der vielen kleinen Dörfer. Viel hat sich nicht verändert. Es gibt ein paar Kreisverkehre mehr.

Und Social Media? Gibt es. Das Einsatzvideo der Feuerwehr landet auf Youtube, auf Facebook gibt es einiges zu sehen. Aber brauch ich das? Machen wir da nicht viel Bohei um etwas, was im Alltag der meisten Menschen nicht viel bedeutet?

Machen wir uns nichts vor: Wir sind in einem Hype, wir tun so, als ob Social Media die Welt bewegt. Gezeugt, geboren und gestorben aber wird offline.

Und doch: zwischen dem wesentlichen Analogen ist viel Platz für das unwesentliche Digitale, auch für Social Media. Ich bin neugierig, ich will von meinen Freunden hören - und von neuen Followern. Social Media ist so interessant, weil es social ist, weil es meinen sozialen Bedürfnissen entspricht wie die langen Gespräche unter dem Sternenhimmel, den die Stadtkinder nicht kennen.

Deshalb: Auf Social Media kann ich nicht verzichten, weil ich nicht auf diesen Aspekt menschlicher Gesellschaft verzichten will, der so gut zwischen das Gezeugt-, Geboren- und Gestorbenwerden passt.